08/2025 Schlaufensteg

BAUEN

Herzklopfen im Zickzackkurs

Bei der Spinnerei am Waldrand von Baar (ZG) führt ein neuer Weg vom «Buebe­gunte» zur Aussichtsplattform «Vogelwinkel». Der Weg ist eine spektakuläre Holzkonstruktion der Abt Holzbau AG, entworfen von den 2Eck Architekten. Vier zackige Schlaufen und 265 Treppenstufen überwinden den Höhenunterschied und sorgen bei Waldgängern für einen höheren Puls.

_{Text Sue Lüthi Bilder Abt Holzbau AG, Korporation Baar-Dorf, Regine Gieseke Pläne 2Eck Architekten, Abt Holzbau AG, Pirmin Jung Schweiz AG}

Den Auftakt macht ein 29 Meter hoher Turm mit zwei Knicken in der Fassade. Die Konstruktion ist mit fächerartig versetzten Holzlamellen (6 cm × 12 cm / 6 cm × 1 cm) umhüllt und wirkt dadurch, je nach Betrachtungswinkel, geschlossen oder durchlässig und insgesamt sehr elegant. Eine Öffnung lädt alle zum Eintreten und Aufsteigen ein: Die 1,68 Meter breiten Treppenläufe führen in einem angenehmen Trittverhältnis aufwärts. Wer zuerst Luft holen muss, schenkt seine Aufmerksamkeit der überdimensionalen Kugelbahn, die man hinter dem ersten Lauf entdecken kann – ein Geschenk des Holzbauers an die Bauherrschaft.

Das Treppensteigen gehört zum Konzept. Die Besucherinnen und Besucher sollen schneller atmen und mit dem Gebäude ihre Fitness trainieren. Auf 22 Metern Höhe betreten sie eine unterspannte Brücke, von dieser einem beim Blick in die Tiefe der Atem stockt. Auf Augenhöhe mit den Baumkronen wandeln die Waldgänger weiter über den Steg zu neuen Treppentritten und Podesten, die scharf die Richtung ändern und den Blick rundum führen. Nach vier solchen eckigen Schlaufen, 350 Laufmetern und insgesamt 45 Höhenmetern erwartet die Stegwanderer die Aussichtsplattform Vogelwinkel. Hier weitet sich der Blick zu den Feldern und Häusern und führt über den Zugersee bis in die Berge.

Cyrill Schmid ist Leiter Produktion der Abt Holzbau AG in Baar. Das Projekt hatten die 2Eck Architekten aus Baar für einen Wettbewerb der Korporation Baar-Dorf entworfen. Der Steg sollte für die Bevölkerung in Baar sein, ein «Treppenfresser» für Menschen, die sich im Wald bewegen und zudem ein Werbeträger für Schweizer Holz. Bei der Umsetzung war zügiges Handeln gefragt. Unterstützung erhielt die Abt Holzbau AG von drei befreundeten Holzbauunternehmen, der Hürlimann Holzbau AG und der Hitz Holzbau AG sowie der  Neuen Holzbau AG in Lungern (OW). 

Um die witterungstechnischen Anforderungen zu erfüllen, wählten die Holzbauer für die Gehbeläge und Fassaden Douglasienholz. Dieses weist einen natürlichen Schutz gegen Schimmelpilze und Fäulnis auf und bietet damit den Vorteil einer langen Haltbarkeit und grosser Stabilität. Die Rundholzstützen sind Fichtenstämme. Diese sind gradwüchsig, fast kreisrund und haben wenig Äste. Damit konnten die statischen und geometrischen Anforderungen sowie die Voraussetzung einer langen Nutzungsdauer erfüllt werden. Ihre Durchmesser sind nahezu identisch, etwa 45 Zentimeter. Die längsten der 61 Stützen messen rund 14 Meter. 

Stützenpaare vormontiert
Cyrill Schmid und sein Team haben die Pfähle in der Produktionshalle passgenau zugeschnitten und im gewünschten Winkel zu Stützenpaaren vormontiert. Die Abt Holzbau arbeitet dazu mit der KI-Technologie von incon.ai. Diese zeigt das dreidimensional gezeichnete Bauwerk auf dem Tablet an und ein Beamer an der Decke projiziert den Plan auf den Produktionstisch. Mit dem Tablet kann man die Ansichten und Texte beliebig einblenden und steuern. 

Als Vorbereitung erhielten die Rundholzpfähle einen speziellen Stützenfuss, damit sie vor Ort nur noch mit dem Pneukran über die zuvor eingemessenen und versetzten Ankerstangen gestülpt werden und mit Mörtel vergossen werden konnten. Auch die Steg-, Brücken- und Treppenelemente wurden im Betrieb vorbereitet – inklusive der Abdichtung und Vormontage der Grund- und Montageplatten für das Geländer. Im Wald haben die Monteure kurz vor dem Aufrichten lediglich noch die Geländerpfosten angeschlagen und mit einem Seitenschutznetz versehen, sodass bereits beim Versetzen der Stegelemente die nötige Arbeitssicherheit gewährleistet war. Ein Lastwagen lieferte die 40 Meter langen und 1,80 Meter breiten Stegelemente an und der Kran hievte sie auf die Stützenpaare. So wuchs der Schlaufensteg Stück für Stück vom Aussichtspunkt Vogelwinkel hinunter zum Einstiegsturm. Der Gehbelag war bereits als Element vorverlegt worden, während Handlauf und Maschendrahtgeländer in luftiger Höhe vor Ort montiert wurden.

Treppen im Turm
Der Treppenturm besteht aus zwei vorgefertigten, vertikal verlaufenden Holzfachwerken, die auf der Baustelle mit Streben- und Riegelbalken verbunden wurden. Die Monteure haben die Holzbauteile auf die exakt vorbereiteten Fundamente versetzt und mittels Passbolzen verbunden. Auch das Innenleben der Turmkonstruktion – inklusive Treppentritt- und Gehbelagselemente – haben die Holzbauer direkt vor Ort eingebaut. Die beiden Türme sowie die Verbindungsbrücke wurden durch die Neue Holzbau AG vormontiert und per Spezialtransport angeliefert. Die Knotenverbindungen mit GSA-Technologie (eingeleimte Gewindestangen) haben die Mitarbeitenden unter kontrollierten Bedingungen im Werk ausgeführt. Auch die grossflächigen Fassadenelemente für die Türme wurden im Werk vorgefertigt und vor Ort effizient und passgenau montiert. 
 

Die Stufen und der Steg lassen sich in 16 Minuten ohne Atemnot begehen: So lange dauert es, bis die verbauten 320 Kubikmeter Nadelholz im Schweizer Wald nachwachsen. schlaufensteg.ch, neueholzbau.ch, 2eck.ch, pirminjung.ch
 

 

Video-Interview mit Daniel Abt